Gesellschaftliche Transformation und architektonischer Wandel

Ein »Welcome-Center« für Weimar

Die kulturellen Aktivitäten im und um das Mehrzweckgebäude standen 2003/​2004 im Kontext einer neuen Entwicklung. Ein privater Investor plante in der ehemaligen »Halle der Volksgemeinschaft« ein riesiges Shopping-Center, das schließlich auch verwirklicht wurde. Deutliche Kritik an diesem Vorhaben kam von der Gedenkstätte Buchenwald. Dort galt der geplante »Konsumtempel« als die »banalste aller Zukunftslösungen« an einem historisch besetzten und belasteten Ort.

Auch die Stadtverwaltung hatte Bedenken, dass ein Shopping-Center an diesem Ort der Stadt Kaufkraft aus der Innenstadt abzöge und gab entsprechende Gutachten, die öffentlich vorgestellt und diskutiert wurden, in Auftrag. Die Treuhand war jedoch überzeugt, die Halle in Privathand zu geben, damit nahm das »Atrium« Gestalt an. 2004 wurde die Halle an die Saller Unternehmensgruppe veräußert. Teil des Umbaus wurde ein kleinerer Reisebus-Bahnhof, das sogenannte »Welcome-Center«.

Der Investor nahm die Kritik des Gestaltungsbeirats der Stadt auf und stellte die damaligen Studierenden Lina Müller, Robert Müller und Benjamin Wiederock an, um die Fassade der Halle zu gestalten. So wurde die Fassade im Sockelbereich mit Spiegelglasscheiben und oberhalb mit transparentem Gewebe verkleidet. Die Lamellenstruktur der alten Fassade dahinter bleibt weiterhin sichtbar. Der Sockel und der obere Hallenteil »vereinen sich durch großformatige monochrome Drucke«. Zu sehen sind Manets »Frühstück im Freien« und Da Vincis »Dame mit Hermelin«, beide Schlüsselwerke der Moderne.

Im Gebäude selbst findet sich neben diversen Läden und Supermärkten in der oberen Etage das sogenannte »Italienische Dörfchen« und nicht die »Bunte Republik« Lindenbergs. Entstanden ist eine Hommage an Weimars, in klassischer Zeit besonders ausgeprägte Vorliebe für Italien – kulturhistorisch konkret etwa in Goethes und Anna Amalias Italienreise oder den »Römischen Elegien« Goethes.

In Absprache mit Land und Stadt wurde eine Tiefgarage mit offenen Dachdurchbrüchen gebaut und so der Platz vom Shopping-Center und vom Fußgängerverkehr getrennt. Ob diese Fläche weiterhin nicht begehbar bleibt oder zugänglich wird, ist offen. Gestalt und Funktion des Atriums in ihrer Beziehung zum Platz sind bei manchen Bürgern und Besuchern Weimars bis heute umstritten.