Architektur und Kult

Ideologie und Kult einer »Bewegung«

Die ideologische Funktion nationalsozialistischer Architektur ergibt sich nicht allein durch die pragmatische Nutzung oder architektonische Formensprache der Gebäude. Sie offenbart sich auch in der Fest- und Feierkultur, die an diesen Orten zelebriert wurde.

Die Nationalsozialisten verstanden sich nicht als Partei, sondern als »Bewegung«. Ihre öffentlichen Feiern waren Ausdruck von Macht, besaßen legitimatorische Funktion und sollten die Teilnehmer auf den »Führer« und die »Volksgemeinschaft« einschwören. Wir kennen allerdings kaum Zeugnisse über die tatsächliche Wirkung von Feiern, Kulten und Ritualen, sondern nur die Wirkungsabsichten der Feiergestalter.

Im Fall des Weimarer Gauforums sind wir auf Interpretationen der Baupläne angewiesen, um die beabsichtigte Funktion des Gebäudeensembles für Kulte und Rituale zu erschließen. Eindeutig ist die Rolle des zentral gelegenen Aufmarschplatzes zwischen dem »Haus der Gliederungen«, der »Reichsstatthalterei« und der »Halle der Volksgemeinschaft«. Ebenso klar ist der Zweck einzelner Fahnen- und Ehrenhallen in den Gebäuden und die Funktion von Krypten für die »Toten der Bewegung« in der Treppenanlage der Versammlungshalle. Deren Einrichtung (Fahnen- und Fackelhalterungen, Orgel, Tribüne) hätte als Stimmungsarchitektur die Inszenierung von Feiern unterstützt. Unklar ist bis heute die genaue Funktion des Glockenturms mit kryptaähnlichem Untergeschoss, monumental-festlicher innenarchitektonischer Gestaltung und bekrönendem Abschluss.

Religionswissenschaftlich betrachtet erfüllte der »Glaube des Nationalsozialismus« drei Funktionen: Er war Heilsreligion (Erlösung des deutschen Volkes durch einen Führer /​ Messias); dazu musste auch alles Böse (vor allem das Judentum) vernichtet werden. Als neuheidnischer Glaube knüpfte der neue »Glaube« an überlieferte – und oft erst erfundene – »germanische« Mythen und Kulte an. Er war Ersatzreligion, denn er sollte christlich-jüdische Traditionen nach und nach verdrängen, ersetzen und damit zerstören. Schließlich waren zahlreiche Deutsche bereit, im Glauben an die Ideen Adolf Hitlers eigene religiöse und ethische Standards bedingungslos außer Kraft zu setzen.