Gesellschaftliche Transformation und architektonischer Wandel
Das »Quartier der Moderne«
Als 1999 zum Kulturstadtjahr eine erste Ausstellung zur Geschichte des Gauforums und des Nationalsozialismus in Weimar eröffnet wurde, waren die Sanierungs- und Rekonstruktionsarbeiten am Museum Neues Weimar gerade abgeschlossen.
Im Sommer 1869 als Großherzogliches Museum begründet, verlief die Geschichte des Hauses sehr wechselhaft. Die kulturreformerischen Bewegungen um 1900 fanden dort einen Ausstellungs- und Diskussionsort. Nach 1920 nutzte Direktor Wilhelm Köhler sein Haus (nunmehr: Thüringisches Landesmuseum) als Ort für die Kunst der Nachkriegsavantgarde. Ab 1930 aber schlug das kulturelle Klima Weimars um; 1933 zog Gauleiter und »Reichsstatthalter« Sauckel mit seiner Verwaltung dort ein (bis 1937). Massive Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg schränkten die Nutzung als Museum ein; ab Anfang der 1950er Jahre verfiel das Gebäude und war immer wieder vom Abriss bedroht. Eine Bürgerinitiative beräumte das Haus ab 1989, Sicherung und Wiederaufbau zogen sich bis 1998 hin. Nach der Wiedereröffnung zog eine moderne Kunstsammlung dort ein, zwischen 2004 und 2017 folgten wechselnde Ausstellungen.
Mit der Neueröffnung des Museums 2019 und der Gründung des neu konzipierten Bauhaus-Museums zeichnet sich im Areal am neuen Jorge-Semprún-Platz eine spannungs- und beziehungsreiche museale Infrastruktur ab, die zudem unterschiedliche erinnerungskulturelle Perspektiven eröffnet. Wenn die Ausstellung zur Geschichte der Zwangsarbeit in Europa (Konzeption: Gedenkstätte Buchenwald) in den Räumen des ehemaligen »Reichsstatthalter-Gebäudes« dazu kommt, ist das Museumsquartier in der Schnittstelle zwischen Altstadt und Bahnhofsviertel geschlossen. Insgesamt vier Dauerausstellungen zeichnen dann das Bild einer Moderne, das neben beeindruckenden Zeugnissen bildender Kunst, des Kunstgewerbes und aktueller Strömungen der internationalen Avantgarde die totalitären Seiten der entfalteten Modernität, nicht zuletzt Weimars und Deutschlands selbst, weder verschweigt noch überzeichnet.
Dieses »Quartier der Moderne« wird seine Besucher inspirieren und verunsichern, anregen und erschrecken, nachdenklich machen oder ermuntern. Die kultur-, politik- und kunstgeschichtlichen Einsichten, die sich an den Exponaten und der Inszenierung der Ausstellungen gewinnen lassen, dürften jede oberflächliche Fortschrittsgewissheit erschüttern, ebenso aber den Reichtum moderner Kultur sowie die Schönheit der modernen Künste sichtbar machen.
Der »Zivilisationsbruch« der Jahre 1933 bis 1945 ist damit zwar nicht zu kitten, wird aber auf lange Sicht ein selbstverständlicher Teil unseres kulturellen Gedächtnisses werden.