Eine Großbaustelle inmitten der Stadt

Ein Stadtquartier verschwindet

Während sich der Bauplatz des Gauforums in eine technisierte Großbaustelle verwandelte, verschaffte sich Hitler bei mehreren Besuchen einen persönlichen Eindruck vom Fortschritt der Bauarbeiten. Zu diesen Anlässen ließ er sich von der Bevölkerung und den Bauarbeitern regelrecht huldigen. Bis Mitte 1940 waren bis auf die »Halle der Volksgemeinschaft« und das »Gebäude der Reichsstatthalterei und Gauleitung« alle Gebäude nahezu fertiggestellt.

In unmittelbarer Nähe zum Forum entstand in einem vollkommen anderen Stil als dem der Repräsentationsarchitektur am Gauforum die sogenannte X-Straße (heute: Ferdinand-Freiligrath-Straße). Deren Gestaltung verantwortete der Architekt Willem Bäumer, der von 1934 bis 1939 an der Weimarer Hochschule unterrichtete.

An der Nahtstelle Gauforum /​ X-Straße wurde offenkundig, wie unterschiedlich sich der Nationalsozialismus einzelner künstlerischer und architektonischer Traditionen bediente. Während die beim Forum gewählte Formensprache den imperialen Macht- und Repräsentationsgestus des Regimes zum Ausdruck brachte, lehnte sich die Architektur der Bauten in der X-Straße an den sogenannten »Heimatschutzstil« an. Die kleinteilige Bebauung mit Wohn- und Gewerbegebäuden erinnerte bewusst an die Gestaltung von Kleinstädten oder Dörfern. Dies folgte der politischen Absicht, die ideologisch überhöhte Vision einer geschlossenen »Volksgemeinschaft« zum Ausdruck zu bringen. In der Mitte des Ensembles wurde eine Art Dorfplatz bzw. kleinstädtischer Marktplatz angeordnet, der zu Festen und Feiern im Rahmen der Nachbarschaft einladen sollte. Dies war eine eher gemütvolle Inszenierung der »Volksgemeinschaft«, ohne den diktatorischen Gestus formierter Menschen- und Steinmassen wie beim Gauforum.

Die Intimität dieses Wohnviertels und die anheimelnde Beschaulichkeit seiner Bauten und Straßenzüge bildet somit keinen Gegensatz zur auftrumpfenden Architektur des Gauforums, sondern war deren Ergänzung. Die Neugestaltung dieses Teil der Jakobsvorstadt sollte außerdem wohl auch über den Verlust zahlreicher Häuser im gleichen Areal hinwegtäuschen.