Architektur und Kult
Ideologie und Kult einer »Bewegung«
Gedenkmarsch an den Hitler-Ludendorff-Putsch von 1923 in München, im Vordergrund die »Blutfahne des 9. November«, gehalten von Julius Streicher, dahinter Adolf Hitler und die »Alte Garde«, 9. November 1933
Bundesarchiv, Bild 102-15204, Foto: ohne Ang.
Die SA bekennt sich zum »Führer«, Marktplatz in Weimar am 6. März 1932. Wegen des damals ausgesprochenen Uniformverbots trugen die Versammelten Zivilkleidung
Fritz Sauckel: Kampf und Sieg in Thüringen, Weimar 1934
Feierlichkeiten zum 9. November am »Ehrenmal für die Gefallenen der Bewegung« an der Feldherrnhalle in München, Gemälde von Paul Herrmann mit dem Titel »Und ihr habt doch gesiegt«. Das Bild wurde auf der »Großen Deutschen Kunstausstellung« 1942 gezeigt
Die Kunst im Deutschen Reich. 6. Jahrgang, Folge 8./9. August–September 1942, Ausgabe B mit »Die Baukunst« Große Deutsche Kunstausstellung 1942
Arno Breker: »Vergeltung«, Entwurf eines Reliefs in Stein für einen Fries an der geplanten Nord-Süd-Achse in Berlin, 1940
Deutsches Historisches Museum, Fotograf Ernst Schlumberger
Propagandaplakat der NSDAP (undatiert)
Berlin, Staatliche Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Kunstbibliothek, Sammlungskontext: Sammlung Plakat- und Reklamekunst, Inventar-Nr. 14050239
»Ewige Wache« der SS-Standarte Deutschland vor dem Ehrentempel am Königsplatz, Gedenkfeier am 8./9. November 1935
Bayerische Staatsbibliothek hoff-11899, Fotograf Heinrich Hoffmann
Auszug aus einer Rede Adolf Hitlers über die »gemeinschaftspolitischen Aufgaben der Baukunst«
Deutsche Bauzeitung, 26. Januar 1938
Ehrentempel am Königsplatz München
Archiv der Moderne Weimar, Fotograf Walter Hege
Die ideologische Funktion nationalsozialistischer Architektur ergibt sich nicht allein durch die pragmatische Nutzung oder architektonische Formensprache der Gebäude. Sie offenbart sich auch in der Fest- und Feierkultur, die an diesen Orten zelebriert wurde.
Die Nationalsozialisten verstanden sich nicht als Partei, sondern als »Bewegung«. Ihre öffentlichen Feiern waren Ausdruck von Macht, besaßen legitimatorische Funktion und sollten die Teilnehmer auf den »Führer« und die »Volksgemeinschaft« einschwören. Wir kennen allerdings kaum Zeugnisse über die tatsächliche Wirkung von Feiern, Kulten und Ritualen, sondern nur die Wirkungsabsichten der Feiergestalter.
Im Fall des Weimarer Gauforums sind wir auf Interpretationen der Baupläne angewiesen, um die beabsichtigte Funktion des Gebäudeensembles für Kulte und Rituale zu erschließen. Eindeutig ist die Rolle des zentral gelegenen Aufmarschplatzes zwischen dem »Haus der Gliederungen«, der »Reichsstatthalterei« und der »Halle der Volksgemeinschaft«. Ebenso klar ist der Zweck einzelner Fahnen- und Ehrenhallen in den Gebäuden und die Funktion von Krypten für die »Toten der Bewegung« in der Treppenanlage der Versammlungshalle. Deren Einrichtung (Fahnen- und Fackelhalterungen, Orgel, Tribüne) hätte als Stimmungsarchitektur die Inszenierung von Feiern unterstützt. Unklar ist bis heute die genaue Funktion des Glockenturms mit kryptaähnlichem Untergeschoss, monumental-festlicher innenarchitektonischer Gestaltung und bekrönendem Abschluss.
Religionswissenschaftlich betrachtet erfüllte der »Glaube des Nationalsozialismus« drei Funktionen: Er war Heilsreligion (Erlösung des deutschen Volkes durch einen Führer / Messias); dazu musste auch alles Böse (vor allem das Judentum) vernichtet werden. Als neuheidnischer Glaube knüpfte der neue »Glaube« an überlieferte – und oft erst erfundene – »germanische« Mythen und Kulte an. Er war Ersatzreligion, denn er sollte christlich-jüdische Traditionen nach und nach verdrängen, ersetzen und damit zerstören. Schließlich waren zahlreiche Deutsche bereit, im Glauben an die Ideen Adolf Hitlers eigene religiöse und ethische Standards bedingungslos außer Kraft zu setzen.